Vorweg, das vorliegende Buch „Bandoneon c/o Heinrich Band.“ ist attraktiv. Die Gliederung und aufwendige Illustrationen werden dem Instrument gerecht, machen es lesenswert und ein Muss für jeden Bandonionfreund. Zahlreiche geschichtshistorische Befunde und Beschreibungen binden das Buch stark an die Stadt Krefeld, welche Förderin und Herausgeberin ist. Der Autorin Janine Krüger erschien es wichtig, neue Quellen in Bezug auf die Fertigung des Instrumentes in Sachsen nachzuweisen. Amüsant und erfrischend sind die Interviews mit renommierten Bandonist/innen, welche die jeweiligen Süchte und Sehnsüchte zum Instrument offenlegen. Via QR-Codes sind Hörbeispiele abrufbar. Das Buch hat 368 Seiten und ist im Klartextverlag unter der ISBN 3837519708 erhältlich.
Kritik: „wer hat’s erfunden“?
Schon im Titel wurde ich stutzig. Heinrich Band schreibt ein Buch über das Bandoneon, ah. Die spanische Schreibweise wurde 1934 in den Duden aufgenommen. Ein bisschen viel Effekthascherei und im Untertitel gleich wieder strategische und regionale Vereinnahmung. Schade – somit bleibt das sehenswerte Buch anderen Regionen vorenthalten. Im vorliegenden Buch als auch in der Onlineselbstdarstellung wird die Erfindung und einhergehende patentgleiche Vereinnahmung des Instrumentes „Bandonion“ als patriotische Erfindung nach Krefeld verlagert bzw. als Krefelder Instrument bezeichnet. Das liegt zu offensichtlich im touristischen Marketinginteresse der Stadt Krefeld, ist Kerninhalt der Buchaussage und Grund seiner Erscheinung und Förderung. Die schönen Bilder, die intensiven Interviews der Bandonist/innen und die wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Quellenrecherche können darüber nicht hinwegtäuschen. Die Musikwissenschaftlerin Frau Dr. Krüger wird ersucht, schlüssige Beweise für die Erfindung des Bandonions durch Heinrich Band zu liefern, was ihr meines Erachtens nicht gelingt. Die „Auswahl des Produktionsstandortes“ als Beweis der Erfindung anzuführen, ist in hohem Maße fragwürdig. Man könnte auch meinen einen Urheberstreit zu entfachen zu wollen: „wer hat’s erfunden“.
Erklärungen
Erklärungen Studien, ob wissenschaftlich, wirtschaftlich, religiös unterliegen bei genauer Analyse nicht selten einer erheblichen Abhängigkeit vom Auftrag- oder Geldgeber. Sie erfüllen in der Regel dessen Anforderungen und verfolgen in hohem Maße dessen Marketingstrategie. Sich dem zu entziehen, fällt Wissenschaftlern in „neutraler“ Analyse immer wieder auf die Füße. Was nicht als Kritik an der Akribie zur Quellenanalyse verstanden sein möchte, so doch die Zugewandtheit zum Auftraggeber als Interessenskonflikt offenbart.
Als Konstrukteur und Bandonionspieler stoße ich mich daran, die Erfindung des Instrumentes dem Instrumentenhändler und Musiker Heinrich Band zuzuschreiben. Vergleichend meine ich, dass das Umstimmen einer Geige zur besseren Spielbarkeit an sich noch keine Erfindung der Geige, auch wenn man diese mit einem Eigenname versieht, darstellt.
Belegfrei und idyllisch wird BAND zugemutet im stillen Kämmerchen experimentiert zu haben, ein neues chromatisches Instrument zu erfinden. Da waren die Sachsen und voran Zimmermann schon viel weiter und hatten die vollchromatische oktavierbare Konzertina eben schon auf den Weltausstellungen längst präsentiert.
Wo bitte sind die Skizzen, Scribbles, die metallurgischen Experimente mit den Legierungen der Stahl-, damals noch Messingzungen, die Experimente an den Mensuren, Kanalöffnungsweiten, Zungenformen, an den Luftverhältnissen in den Stimmstöcken, die Ventilierung, Durchbiegung- und Ansprechverhalten der Zungen, Tonveränderung bei Durchbiegung, Gängigkeit und Lagerung der Hebelmechanik, ergonomische Anordnung und Federdruck der Tasten, tonale Beeinflussung des Druckverhaltens der Bälge über die gesamte Auszugslänge usw. Die angeblichen technologischen Vorgaben zur Arbeitsteilung, die Materialbeschaffung, die sozialen Attitüden jedweder Produktion. Dieser kleine Auszug belegt, damit hat sich Heinrich Band nicht beschäftigt.
Die Entwicklung der Konzertina wird richtigerweise den sächsischen Handzuginstrumentenmachern- und Meistern zugeordnet. Und diese „tüffeln“ heute noch daran, den ultimativen Klang der sächsischen Arnoldschen Instrumente jenseits des Klang eines Akkordeons zu erreichen, verbessern die Hebellagerungen, optimieren jeder auf seine Weise den Produktionsprozess und verlassen sich auf die in Böhmen gefertigten Stimmplatten. Keiner nennt sich allerdings Erfinder.
Die Verbreitung der sächsischen Instrumente im Rheinland ist Heinrich Band hoch anzurechnen. Die weltweite Verbreitung des Instruments Anfang des 20ten Jhd. ist den Marketingstrategen der Arnolds zuzuschreiben. Alle anderen Bandonionbauer hechelten nur hinterher. Es gibt keinen einzigen Beleg, dass Heinrich Band Instrumente nach Übersee verkaufte, seine Nachfahren durchaus. Die namentliche Ersterwähnung lässt sich auf 1855 datieren, weil eine Privatperson ein Instrument nach New York verschickte und die Ankunft quittiert ward.
Tastaturbelegung
Zitat S.57: „Da aber die Tastaturbelegung der Bandschen Instrumente trotz zusätzlicher Tasten im Kern gleichblieb,…“
Die Modifizierung und Anregung zur Erweiterung der sächsischen Konzertina, wären Verdienst, sind aber auch Fluch BANDES. Denn er schuf die Tonanordnung nicht neu. Er veranlasste zusätzliche Tasten um die schon vorhandene diatonische Chemnitzer Tonlage (Ton 1 bis 14) „drumherum“ zu bauen und etablierte damit die „verquere“ Tastenlage des Instrumentes. So gut wie alle weiteren „Entwürfe für wechseltönige Manuale“ behielten diese bei, ebennoch in der heutigen Rheinischen Tonlage zu sehen. Auch dies ist ein Indiz dafür, nicht in die bestehende Fertigung eingegriffen zu haben, denn neue Töne müssen auch auf den Stimmplatten integriert werden. Und man sieht, das dies mit zwei kleinen Sonderplatten samt „Extrabehebelung“ im Bass eines 142tönigen Bandonion bis heute nicht getan ward. Hätte Band tatsächlich konsequent musikdidaktisch gedacht, hätte er seinen Fans das wechseltönige Bandonion erspart und auch die Tangospieler Lateinamerikas würden heute gleichtönige logische Bandoneóns spielen. In späteren Jahrzehnten kam es dann tatsächlich zur folgerichtigen Änderung der Tastenanordnung durch Peguri, Kusserow, Schlegel und vielen anderen. Doch diese Instrumente nannte man nicht Pegurion, Kusseronion etc. In Karl Oriwohls Abhandlungen sind mehr als 100 verschiedene Entwürfe von Tonanlagen enthalten. Band war einer von vielen. In Krefeld selbst kursiert die Legende, BAND hätte einen Prototyp aus vorgefertigten Einzelteilen selbst gebaut. Dies ist lediglich eine Annahme der Krefelder.
BAND selbst hat eine Erfindung in seinen Anzeigen inseriert „unsere Accordien mit neuer Konstruktion versehen“. Das klingt für Konsumenten als hätte der Inserent die Instrumente selbst erschaffen. Das Kataloginserat des Herstellers C.F. Reichel (S.89) zeigt aber gleichzeitig, dass die „Konstruktion“ der Instrumente vorliegt und die Tastendisposition der Harmonika von Zimmermann nahezu übernommen wurde. Hätte Band ein Instrument erfunden, müsste zwangsläufig ein Patent vorliegen. Sich als Bandonionfabrikant zu bezeichnen ist schlicht eine Verbrauchertäuschung.
vermeintliche Erfindungsbegründung
Die Autorin Frau Dr. Krüger benennt als Beleg für die Erfindung durch Heinrich Band „die Auswahl des Produktionsstandortes“. Hier ein kleine Auswahl wie so etwas von statten gehen könnte:
Juristische Betrachtung
Soziale Anamnese und Klangwirkung
Was denn nun Bandonion – Bandoneón
Wer ist denn nun Erfinder
Das Bandonion ist eine Art der „Konzertina“. Die Erfindung und Abschluss der grundlegenden Entwicklung des Instrumentes ist zeitlich auf die erste Hälfte des 19. Jhd. belegt. Es ist ein Gemeinschaftswerk von Instrumentenbauern wie Buschmann, Demian, Uhlig, Zimmermann und vielen anderen. Die ursächliche Erfindung Heinrich Band zuzuschreiben wird dem Instrument nicht gerecht. Band veranlasste, unter Verwendung der vorhandenen deutschen Konzertina den Tonumfang nach seiner Vorgabe zu erweitern und versah zur Umsatzsteigerung seines Einzelhandels die in Sachsen gefertigten Instrumente mit dem Eigennamen ‚Bandonion‘.
Nachworte:
Martina Zapf/Leiterin des Bandonionfestivals Carlsfeld
„Seit 1993 beschäftige ich mich mit der Geschichte meines Heimatortes Carlsfeld und organisiere das Carlsfelder Bandonionfestival. Ihre Buchrezesion „Bandoneon c/o Heinrich Band“ finde ich richtig. Heinrich Band ist Namensgeber, Händler und hat für das Instrument „Bandonion“ die Grifftabelle erweitert. Erfinder gibt es viele, die Handharmonioka wurde 1822 von Chr. Fr.Buschmann in Berlin erfunden und Handäoline genannt. Das Akkordion wurde 1829 von Demian in Wien konstruiert, die englische Konzertina im gleichen Jahr von Ch. Wheatstone in London. Bald darauf schuf Uhlig in Chemnitz die deutsche Konzertina, die 1840 begann Carl Friedrich Zimmermann in Carlsfeld mit dem Bau seiner Instrumente, 1854 war er mit 15 verschiedenen Harmonikas auf der Industrieausstellung in München.“
Heiko Guter/Leiter Bandoniontage Naunhof
Das Buch steht voll und ganz in Tradition von Heinrich Band – „wie kann ich fremde Erfindungen für eigene Zwecke vereinnahmen“. Eine patentrechtliche Verletzung lässt sich auch nach 170 Jahren in Frage stellen und anhand von Tastaturlayouts indizieren. Nunmehr hat sich Krefeld, sicherlich aus touristischen Erwägungen heraus entschlossen, Heinrich Band als Sohn der Stadt auf den Sockel der Erfindung des Bandonion zu heben und der weltumspannenden Bandoneón-Community verzerrte Fakten liefern zu wollen. Den Förderern des Buches und Stadtmarketingkollegen sei auf den Weg gegeben, die große Mehrheit der Forschenden und Wissbegierigen werden das so nicht hinnehmen. Mal sehen was die Chemnitzer sagen oder vielleicht ein Buch editieren, wenn sie 2025 Kulturhauptstadt Europa werden sollten: „Das Bandonion – eine sächsische Erfindung?„
Uwe Hartenhauer/Handzuginstrumentenmachermeisterbetrieb Klingenthal Label „UH“
„deine ausführliche Variante ist sehr gut geschrieben. So ist es, da ändert auch ein Buch nichts daran.“
Georg Schroll/Buchautor „Bandonionvereine“ – Wiltingen-Saar
„eine recht streitbare Rezension. Sie wissen, wo Bartel den Most zu holen hat. Da Sie weitaus besser drin sind im sächsischen Geschehen um die dortige Bandonion-Musikindustrie (einschl. der historischen Entwicklung) kann ich es Ihnen nicht verhehlen, dass Sie dann auch kritisch auf die „Inanspruchnahme“ Bands für das Krefelder Stadtmarketing schauen. Kurzum: ich finde die Rezension gut. Aber Sie werden es sicherlich verschmerzen, dass ich weiterhin „Bandonion“ sage – die vielen Vereine haben an dem Namen gehangen – und bevor das Krefelder Marketing zugeschlagen hat – haben die Bandonionvereine schon zwei Mythen gepflegt: zum einen den von Band (und Uhlig), zum anderen den von „AA“. Sie glauben gar nicht, mit welchen, für damalige Verhältnisse grandiosen Ideen schon von „ELA“ und „AA“ die Werbung betrieben worden waren – auch immer in Rückbesinnung auf Heinrich Band. Im Grunde führen die Krefelder nur das fort, was die Arnolds begonnen hatten. Aber eins muss man auch zur Kenntnis nehmen: nie ist ein wichtiges Teil, was heute einen unverzichtbaren Gebrauchswert hat (Telefon, Computer, Fahrrad etc.) nur von einem einzigen Menschen ausgetüftelt und erkoren worden. Es gibt auch unabhängige Parallelentwicklungen wie z.B. die Wheatstone’sche Concertina, die nach dem Prinzip der durchschlagenden Zunge fast zeitgleich mit der Uhlig’schen Entwicklung einherging. Wheatstone hat auf Diskant und Bass verzichtet, sonst eben das gleiche Prinzip.Da die Krefelder natürlich nichts mit (Massen-)Produktion, Ausfuhr des Bandonion u.a. in alle Welt zu tun hatten, wäre auch hier noch ein Unterscheidungsmerkmal zu finden. Und ohne Julius Berthold (1845 bei Zittau geboren), der mit seinen Erfindungen die industrielle Produktion vorangetrieben hatte, wäre – nach meiner Auffassung – das Bandonion und die Konzertina ein seltenes Produkt in den Händen weniger geblieben. Eine rein handwerkliche bzw. manufakturelle Produktion hätte sich nicht durchgesetzt und es gäbe auch nicht DEN Tango mit seinem schluchzenden Instrument.“